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Wer ist vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) überhaupt betroffen?

  • Autorenbild: Alena Serhatlic
    Alena Serhatlic
  • 22. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit

Ab dem 28. Juni 2025 ist es so weit: Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) tritt vollständig in Kraft und stellt viele Unternehmen vor neue Herausforderungen. Ziel des Gesetzes ist es, Produkte und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen zugänglicher zu machen. Doch welche Unternehmen müssen nun handeln? Die Unsicherheit ist groß. Dieser Artikel bringt Licht ins Dunkel und beantwortet die zentrale Frage: Wer ist vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz betroffen?


Ein junger Mann im Rollstuhl sitzt an einem höhenverstellbaren Schreibtisch in einem modernen Büro und arbeitet an einem Computer mit einem großen Monitor. Er benutzt eine spezielle Tastatur und eine alternative Eingabehilfe, während er lächelt.

Barrierefreiheitsstärkungsgesetzt: B2C im Fokus


Grundsätzlich richtet sich das BFSG an den Endverbrauchermarkt (B2C). Das bedeutet, dass in erster Linie Unternehmen betroffen sind, die ihre Produkte oder Dienstleistungen direkt an Verbraucher verkaufen. Reine B2B-Angebote (Business-to-Business) fallen in der Regel nicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes.

Die betroffenen Wirtschaftsakteure umfassen dabei die gesamte Lieferkette:

  • Hersteller

  • Händler

  • Importeure

  • Dienstleistungserbringer


Welche Produkte müssen barrierefrei sein?


Das Gesetz listet eine Reihe von Produkten auf, die ab dem Stichtag barrierefrei gestaltet sein müssen. Hierzu zählen vor allem digitale und interaktive Geräte des täglichen Lebens.


Betroffene Produktkategorien:


  • Computer und Betriebssysteme: Das schließt Laptops, Tablets und Desktop-PCs ein.

  • Smartphones und andere Kommunikationsgeräte: Alle mobilen Endgeräte, die zur Telekommunikation genutzt werden.

  • "Smarte" Endgeräte: Dazu gehören beispielsweise Smart-TVs und andere Geräte mit interaktivem Leistungsumfang für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten.

  • E-Book-Lesegeräte: Geräte wie der Kindle oder Tolino müssen die Anforderungen erfüllen.

  • Selbstbedienungsterminals: Hierzu zählen Geldautomaten, Fahrkartenautomaten sowie Check-in-Automaten an Flughäfen oder Bahnhöfen.

  • Router und Modems: Auch die technische Infrastruktur für den Internetzugang ist erfasst.

Wichtig zu wissen: Es geht hierbei um Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden. Bereits im Umlauf befindliche Geräte sind nicht betroffen.


Welche Dienstleistungen fallen unter das BFSG?


Neben physischen Produkten liegt ein starker Fokus des Gesetzes auf Dienstleistungen, insbesondere im digitalen Raum. Für viele Unternehmen in diesem Sektor besteht daher dringender Handlungsbedarf.


Betroffene Dienstleistungsbereiche:


  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr: Dies ist der wohl relevanteste Punkt für viele Unternehmen. Alle Online-Shops, Buchungsportale und Apps mit Verkaufsfunktion, die sich an Verbraucher richten, müssen barrierefrei sein. Es geht dabei nicht um das verkaufte Produkt selbst (z. B. Kleidung), sondern um die digitale Dienstleistung des Online-Verkaufs.

  • Bankdienstleistungen für Verbraucher: Dazu gehören Online-Banking, Banking-Apps und Geldautomaten.

  • Telekommunikationsdienste: Dies umfasst sowohl Telefon- als auch Internetdienste.

  • E-Books: Nicht nur die Lesegeräte, sondern auch die digitalen Bücher selbst und die zugehörige Software fallen unter das Gesetz.

  • Personenbeförderungsdienste: Webseiten, Apps, elektronische Tickets und Echtzeit-Verkehrsinformationen von Flug-, Bus-, Bahn- und Schifffahrtsunternehmen sind betroffen.


Die wichtige Ausnahme: Regelungen für Kleinstunternehmen


Eine entscheidende Ausnahme sieht das Gesetz für Kleinstunternehmen vor. Diese Regelung soll eine unverhältnismäßige Belastung für kleine Betriebe verhindern.

Ein Unternehmen gilt als Kleinstunternehmen, wenn es:

  • weniger als 10 Mitarbeiter beschäftigt UND

  • einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro aufweist.

Aber Achtung, die Ausnahme hat einen Haken! Sie gilt nur für Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen erbringen.

Das bedeutet im Umkehrschluss: Kleinstunternehmen, die vom BFSG erfasste Produkte (wie E-Book-Reader oder Router) herstellen, importieren oder handeln, sind nicht von den Pflichten befreit.


Was bedeutet das jetzt für mein Unternehmen?


Wenn Ihr Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen aus den genannten Kategorien anbietet und nicht unter die Kleinstunternehmerregelung für Dienstleister fällt, besteht Handlungsbedarf. Das Ignorieren des Gesetzes kann nicht nur zu Bußgeldern von bis zu 100.000 Euro führen, sondern schließt auch wertvolle Kundengruppen aus. Barrierefreiheit ist kein reines Compliance-Thema, sondern ein Qualitätsmerkmal und ein Wettbewerbsvorteil. 📈


Erste Schritte zur Umsetzung


  1. Status Quo analysieren: Führen Sie eine erste Prüfung Ihrer Website oder Ihres Online-Shops durch. Gibt es bereits barrierefreie Merkmale? Wo sind die größten Hürden?

  2. Informationen einholen: Nutzen Sie die unten genannten Quellen und Beratungsangebote, um sich detailliert über die technischen Anforderungen zu informieren.

  3. Experten hinzuziehen: Sprechen Sie mit Ihrer Web-Agentur oder spezialisierten Dienstleistern über ein professionelles Audit und die Erstellung eines Umsetzungsplans.

  4. Budget planen: Kalkulieren Sie die notwendigen Investitionen für die Anpassung Ihrer digitalen Angebote.


Fazit: Proaktives Handeln ist gefragt


Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz betrifft einen Großteil der deutschen Unternehmen, die im B2C-Sektor tätig sind – vom Online-Händler über Banken bis hin zu Verkehrsbetrieben. Während die Ausnahme für Kleinstunternehmen im Dienstleistungssektor für Entlastung sorgt, müssen sich alle anderen Wirtschaftsakteure dringend mit den neuen Anforderungen auseinandersetzen. Die Zeit bis zum Stichtag wird knapp. Wer jetzt proaktiv handelt, stellt nicht nur die Weichen für eine rechtskonforme Zukunft, sondern erschließt sich auch neue Kundengruppen und verbessert die allgemeine Nutzerfreundlichkeit seiner Angebote.


Quellenangaben


  • Gesetzestext: Der vollständige Text des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) ist im Bundesgesetzblatt oder über das Portal "Gesetze im Internet" einsehbar.

  • Bundesfachstelle Barrierefreiheit: Die offizielle Anlaufstelle des Bundes bietet umfassende Informationen, FAQs und Webinare zum BFSG.

  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Das zuständige Ministerium stellt ebenfalls Leitlinien und Informationen zum Gesetz bereit.

  • Industrie- und Handelskammern (IHK): Viele regionale IHKs bieten Merkblätter und erste Beratungen für betroffene Unternehmen an.

 
 
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